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Ein persönlicher Gedanke

"Manchmal trifft mich ein Wort aus der Bibel und bleibt den ganzen Tag hängen. Auf den Rückgang der Kirchenmitglieder sprechen mich Menschen in den Pfarreien häufig an. Bei Kolleginnen und Kollegen ist es ein Dauerthema. Und dann lese ich bei Jeremia das Wort Gottes über Israel: "Mich hat es verlassen, den Quell des lebendigen Wassers, um sich Zisternen zu graben, Zisternen mit Rissen, die das Wasser nicht halten." (Jer 2, 13)

Das Bild trifft. 

Der Preis unserer Freiheit liegt darin, nach dem Sinn im Leben selbst graben zu müssen. Man hofft, dass die Fragen, die offen bleiben wie der Schacht der Zisterne, sich von irgendwoher mit Sinn füllen. Und gleichzeitig weiss man um die Brüchigkeit und Rissigkeit der selbst entworfenen Sinnhaftigkeit. Quellwasser schmeckt anders. Wirklicher Sinn kommt so sehr von aussen, dass er das tiefe Glück und die tiefe Not aushält. Und wem schon einmal der Lebensentwurf zusammengefallen ist wie eine rissige Zisterne, sucht wieder nach dem "Quell des lebendigen Wassers". Suchende kenne ich viele und gehöre selbst dazu. Der heilige Ignatius rät, dort zu suchen, wo es mehr Leben, mehr inneren Frieden, mehr Glück zu erleben gibt. Man muss gegen den Strom gehen, um zur Quelle zu kommen. Manchmal sitze ich in einer dieser Kirchen, die von so vielen verlassen wird, bete und höre in der Stille dem Rauschen der Quelle zu.

Dr. Gerhard Ruff